Ansoff Produkt/Markt-Matrix – Strategiekonzepte in der Praxis

Ansoff Produkt-/Markt-Matrix?¹ Da klingelt doch etwas bei dem einen oder anderen. Hatten wir das nicht irgendwie im ersten Semester oder irgendwie im BWL-Nebenfach? Das war doch das mit den Märkten und Produkten, oder? Aber der Stoff aus dem Studium bringt doch eh nichts mehr. Im Studium lernt man ja nur, wie man richtig lernt...?! Bullshit! Die Strategiekonzepte, die man im Laufe seines Studiums oder seiner Ausbildung mit an die Hand bekommt, sind durchaus gute Werkzeuge, um zukünftige Entwicklungen zu planen bzw. diese schon einmal grundlegend anzugehen. Die Ansoff Produkt-/Markt-Matrix ist dabei ein guter und entspannter Einstiegspunkt. Allerdings sollte eine Sache immer bedacht werden: Ein Hammer macht noch lange keinen Werkzeugkasten! Soll heißen, dass, wenn es um komplexere Zusammenhänge geht und das ist meistens der Strategiefindungsprozess insgesamt, sollten mehrere solcher Konzepte (BCG-Matrix, SWOT, etc.) verwendet und sinnvoll kombiniert werden, um richtige Handlungsempfehlungen für sich und sein Unternehmen/seine Abteilung abzuleiten.

Ansoff Matrix Strategie

Eigene Darstellung in Anlehnung an¹

Ansoff - Grundannahmen und Einordnung

Worum geht es eigentlich bei der Ansoff Produkt-/Markt-Matrix? Um Produkte und Märkte...schon klar und logisch! Schaut man jedoch etwas näher hin, so sieht man schnell, dass es um verschiedene Szenarien für verschiedene Produkt-Markt-Kombinationen geht. Die Matrix versucht verschiedene Wachstumsstrategieszenarien abzudecken. Dabei sollten Wachstumsstrategien nicht zwangsläufig als Gesamtunternehmensstrategien abgetan werden, sondern sollten in jeder Jahresplanung einer Abteilung mit Berührungspunkten außerhalb des Unternehmens eine zentrale Rolle spielen. Gerade die der Matrix sehr nahestehenden Abteilungen, wie Produktentwicklung oder das Marketing rücken hier besonders in den Fokus und können dieses strategische Konzept als Anhaltspunkt nehmen in was für einem Umfeld sie sich befinden und wie sie in diesem agieren bzw. reagieren können.

 

Marktpenetration - Alte Märkte & Produkte

Marktpenetration oder auch Marktdurchdringung genannt, kommt nach Ansoff dann zum Einsatz, wenn in alten Märkten alte Produkte verkauft werden sollen, um das Wachstum eines Unternehmens zu fördern. Ziel dabei ist es einen möglichst hohen Marktanteil zu generieren, der es ermöglicht im Folgenden Wettbewerber zu verdrängen und sich so etwas Platz zur weiteren Entfaltung zu verschaffen. Als mögliche Ansätze, um dieses Ziel zu erreichen, können bspw. über einen gewissen Zeitraum Preissenkung eingeführt oder Marketingausgaben stark erhöht werden. Ersteres kann in einem Bieterwettkampf enden, was letztendlich nur dem Unternehmen nützen wird, das die höchste Kosteneffizienz aufweist und dies möglichst lange durchhält. Beim Erhöhen der Marketingausgaben sollte stets der ROI im Auge behalten werden in Verbindung mit der Entwicklung der Marktanteile. Wer sich dies in der Praxis mal anschauen möchte, sollte seinen Blick Richtung Autoverleiher wie Sixt, billiger-mietwagen.de und Co. lenken. Hier wird stark im Marketing experimentiert oder an der Kostenschraube gedreht, um Marktanteile zu behaupten oder zu gewinnen.

Diversifikation - Neue Märkte & Produkte

Diversifikationsstrategien beschäftigen sich mit der Erweiterung des Angebotsportfolios. Dabei wird unterschieden in horizontale, vertikale und laterale Diversifikation.

Bei der horizontalen Diversifikation bleibt das anbietende Unternehmen in seinem Produktportfolio auf der gleichen Stufe der Wertschöpfungskette und bietet sein Produkt in einer anderen Form an. Die letzten iPhone-Generationen sind dafür ein gutes Vorbild. Hier werden neben den Premiumvarianten auch Modelle in leicht anderer und zumeist günstigerer Art angeboten. An diesem Beispiel könnte man durchaus die Kritik üben, dass der Smartphonemarkt kein neuer mehr ist. Allerdings "historisch" gesehen ist es noch ein relativ junger Markt, der seinen Innovationshöhepunkt jetzt erst langsam erreicht.

Bei der vertikalen Diversifikation erweitert ein Anbieter sein Portfolio entlang der Wertschöpfungskette. Dies ist mit relativ viel Risiko verbunden, da sich ein Unternehmen, welches diesen Weg wählt, sich in neuen, noch unbekannten, aber dem Business Modell angrenzenden Bereichen versucht. Bei entsprechender Kapitalausstattung lässt sich das Risiko reduzieren. Aktuelle Beispiele dafür finden sich immer wieder bei Amazon. Der Dash-Button ist der Versuch mit einem physischen Gegenstand das Bestellerlebnis noch "anfassbarer" und direkter zu gestalten und in den Haushalten der Nutzer präsent zu sein.

Die laterale Diversifikation kann als Angebot von Zusatzservices verstanden werden, die eigentlich mit dem Kerngeschäft des Unternehmens nichts zu tun haben. Dies ist mit hohem Risiko verbunden, kann aber auch große Chancen bergen neue Geschäftsfelder zu entdecken. Ein interessantes Beispiel aus der Gegenwart ist der Tesla-Konzern mit Elon Musk, der sich einerseits auf Mobilität konzentriert (Hyperloop, Raketen und E-Mobilität), andererseits aber auch Produkte wie einen Flammenwerfer über seine unterschiedlichen Unternehmen anbietet und somit ein breites Spektrum an Wachstumsmöglichkeiten hat (was sich in Bezug auf das letzte Produkt doch sehr absurd anhört, allerdings ein starker Marketingcoup war/ist - Bemerkung des Autors Ende...).

Produktentwicklung - Alte Märkte & neue Produkte

Geht man von alten und oftmals gesättigten Märkten aus, die einen hohen Innovationsgrad in der Vergangenheit hatten und diesen nun ausgereizt haben, ist Wachstum meist nur noch mit neuen Produktkonzepten möglich, um Marktanteile zu erringen und zu halten. Ein aktuelles Beispiel stellt der Automarkt dar. Dieser Markt bzw. dessen Produkte werden gerade "zwangsinnoviert", da ein Überleben zurzeit an wirkliche Neuerungen gebunden ist. E-Mobilität wird forciert durch die Dieselskandale, IoT hält Einzug in die Automobilbranche, fahrerloses Fahren wird im breiten Maße getestet, usw., um Kunden weiter für Autos zu begeistern.

Marktentwicklung - Neue Märkte & alte Produkte

Bei der Marktentwicklung wird sich darauf fokussiert Wachstum über neue Märkte mit Blick auf Geografie, Demografie oder auch in komplett anderen Branchen etc. zu erschließen, um sein bestehendes Produktportfolio einer breiteren und/oder neuen Masse an Kunden zur Verfügung zu stellen. Für ein gutes Beispiel muss man in die Vergangenheit gehen, um in die Zukunft zu schauen, im wahrsten Sinne des Wortes. Waren die Google Glasses erst für den breiten Massenmarkt gedacht, so werden diese und andere Modelle (mittlerweile Smart Glasses genannt) nun im Logistikbereich zur effizienteren Prozesssteuerung verwendet.

 

 

Fazit zur Ansoff Produkt-/Markt-Matrix

Wie man an den oben genannten Beispielen sehen kann, spielen Wachstumsstrategien in verschiedenen Branchen und Unternehmen eine wichtige Rolle. Ob nun explizit dafür immer die Ansoff Produkt-/Markt-Matrix als Ausgangspunkt in den anfänglichen Überlegungen eine Rolle gespielt hat, darf gerne bezweifelt werden. Zweifel an ihrer Aktualität und Verwendbarkeit sollten durch diesen zeitnahen Bezug jedoch über Bord geworfen werden. Wer sich also der Aufgabe gegenüber sieht eine Strategie für einen Bereich oder ein Unternehmen zu entwickeln, der kann als Basis dessen und um sich in seinem Geschäftsfeld besser zu orientieren beruhigt auf die Ansoff Produkt-/Markt-Matrix zurückgreifen.

¹Ansoff, H.I. 1965; Checklist for Competitive and Competence Profiles; Corporate Strategy, pp 98-99. New York: McGraw-Hill

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Ansoff Produkt/Markt-Matrix - Strategiekonzepte in der Praxis
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Ansoff Produkt/Markt-Matrix - Strategiekonzepte in der Praxis - Markt- und Produktentwicklung, Diversifikation und Marktpenetration werden näher beleuchtet und mit praxisnahen Beispielen versehen.
Adrian Berger